Dreschflegel e. V.
Save our seeds - rettet unser Saatgut - Kampagne
"Save Our Seeds" - "Rettet unser Saatgut"
Unter diesem Namen startete die Zukunftsstiftung Landwirtschaft im Sommer 2002 eine Kampagne mit Unterschriftensammlung zur Reinerhaltung von Saatgut.
EU-Richtlinie
Hintergrund dafür ist, dass die BefürworterInnen der Gentechnologie und die EU-Verwaltung "erlaubte" gentechnische Verunreinigungen in Saatgut vorbereiten. Festgeschrieben werden soll das über eine entsprechende EU-Richtlinie (SANCO/1542/02- Januar 2002), deren Entwurf derzeit überarbeitet wird.
Im April 2008 gab es ein Treffen in Brüssel mit InteressenvertreterInnen zum Thema Kennzeichnungsschwellenwerte für GVO im Saatgut. Es wird an der Folgenabschätzung gearbeitet.
Sie soll den Umgang mit "zufälliger oder technisch unvermeidbarer" Verunreinigung von Saatgut mit gentechnisch manipulierten Sorten regeln. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, braucht dieses Saatgut bis zu einem gewissen Grade nicht einmal als gentechnisch verunreinigt gekennzeichnet zu werden.
Der aktuelle Entwurf der Richtlinie sieht vor, dass ein Anteil von 0,3% bei Raps und Baumwolle, von 0,5% bei Mais, Kartoffeln, Tomaten und Chicorée sowie 0,7% bei Soja in Saatgut nicht gentechnisch manipulierter Sorten erlaubt und nicht kennzeichnungspflichtig sein soll.
Damit läge der zulässige Anteil von gentechnisch veränderten Organismen (GVOs) bei 30 bis 70 m² pro Hektar. Oberhalb dieser Grenzwerte dürfte mit entsprechender Kennzeichnung ebenfalls verkauft werden!
Widerstand
Der Richtlinienentwurf ist auf breiten Widerstand gestoßen, der von kritischen Interessenverbänden der Landwirtschaft, von Umwelt- sowie Verbraucherschutzgruppen getragen wird. Der Dreschflegel e. V. hat den Entwurf in seiner Stellungnahmen gegenüber dem Bundessortenamt ebenfalls abgelehnt und zwar u.a. aus folgenden Gründen:
- Aus freigesetzten GVOs können die neuen Eigenschaften über Pollenflug auf andere Sorten oder auch verwandte Arten übertragen werden. Diese Auskreuzungsgefahr wird durch die Richtlinie teilweise übersehen, grundsätzlich aber voll akzeptiert. Auch akzeptiert werden Verarbeitungen von Gentechsaatgut und gentechnikfreien Chargen in denselben Anlagen.
- Nach dem aktuellen Entwurf wäre eine gentechnikfreie Saatguterzeugung in keiner Weise sichergestellt. Eine im ersten Entwurf sehr vage formulierte Überlegung zur Einrichtung lokaler Gebiete für die gentechnikfreie Saatguterzeugung ist im zweiten und derzeit aktuellen Entwurf nicht mehr vorhanden. Dies wiegt umso gravierender, als dass die EU für den ökologischen Anbau die Anwendung von Gentechnik verbietet - ein Verbot, welches durch die neue Richtlinie langfristig von niemandem mehr sicher eingehalten werden könnte.
- Das vorgeschlagenen System ist mit erheblichen Kosten verbunden. Und die sollen die SaatguterzeugerInnen tragen, denn sie müssten z.B. die Einhaltung der Grenzwerte durch entsprechende Untersuchungen sicherstellen. Das trifft dann auch auf diejenigen zu, die selbst ausschließlich gentechnikfrei wirtschaften. Das Verursacherprinzip wird somit auf den Kopf gestellt, und die Beweislast hätten diejenigen, die eigentlich die Betroffenen sind!
- Des Weiteren greifen auch altbekannte Argumente gegen die Freisetzung gentechnisch manipulierter Pflanzen; denn durch die neue Richtlinie könnte es zu einer schleichenden und umfassenden Freisetzung kommen. Die ökologischen Folgen sind nicht vorhersehbar.
- Zusätzlich würden durch die neue Richtlinie die Ausbreitungswege in kurzer Zeit nicht mehr nachvollziehbar sein. Für Landwirtinnen und Landwirte, die sich gegen Gentechnik auf dem Acker entscheiden wollen, bedeutet die Richtlinie einen faulen Kompromiss: konsequent sein geht dann nicht mehr.
- Die überwiegende Mehrzahl der Verbraucherinnen und Verbraucher lehnt genmanipulierte Nahrungsmittel ab. Die Wahlfreiheit der KonsumentInnen ist schon jetzt wegen unzureichender Kennzeichnung unmöglich - Erntegut aus nicht gekennzeichnetem, aber gentechnisch verunreinigtem Saatgut macht die Sache nicht leichter, aber mit Sicherheit teurer.
Co-existenz ökologischer Anbau und Gentechnik
GentechnikbefürworterInnen haben verbal oft nichts gegen den ökologischen Anbau. Im Saatgutbereich gibt es Firmen und Konzerne, bei denen Ökolandbau und Gentechnik ihren Platz auf der Produktionspalette haben - vermeintlich einträchtig nebeneinander (siehe auch die Saatgutstudie des Dreschflegel e. V. - zu bestellen im Shop). Sie können es sich leisten, tolerant zu sein.
Konsequent gentechnikfrei
Wer aber konsequent gentechnikfrei produzieren oder sich ernähren will, kann in dieser Frage nicht tolerant sein. Für uns ist klar, dass sich deshalb die Diskussion um die geplante Richtlinie nicht um Grenzwerte oder Kennzeichnung drehen darf.
Zu fordern ist die Nulltoleranz, d.h. die Nachweisgrenze - nicht für die Kennzeichnung, sondern überhaupt für den Verkauf. Das Überschreiten dieser Grenze durch Grenzwerte wird dazu führen, dass diese schrittweise den Realitäten angepasst werden. Im Falle der Freisetzung immer neuer GVOs ist eine Zunahme von derartigen Verunreinigungen zu befürchten, da Lebewesen sich nun einmal vermehren können.
Zukunft der Saatguterzeugung
Der Richtlinien-Entwurf der EU-Kommission, der formal lediglich eine technische Ergänzung der bestehenden Saatgutverkehrsgesetzgebung darstellt, die nicht einmal der Zustimmung des Europäischen Parlamentes oder des Ministerrates bedarf, beinhaltet eine sehr weitreichende Entscheidung über die Zukunft der Saatguterzeugung, der Landwirtschaft und unserer Umwelt.
Saatgut steht am Anfang der Nahrungskette und Saatgut ist eines der ältesten Kulturgüter der Menschheit. Es entsteht jedes Jahr neu; aber es ist älter als der Kölner Dom und die Pyramiden von Gizeh.
In unserem Saatgut stecken 8000 Jahre Kulturgeschichte.
Es enthält die Pflege und die Kreativität von über 300 Generationen. Welchen Beitrag unsere Generation zu diesem Erbe der Menschheit liefern wird, hängt ganz wesentlich davon ab, ob es gelingt, die Nulltoleranz durchzusetzen oder nicht: für ein striktes Reinheitsgebot oder für ein bisschen Gentechnik überall!
Weitere Informationen:
Save Our Seeds, Zukunftsstiftung Landwirtschaft - Rungestr. 19, 10179 Berlin Gen-ethisches Netzwerk - Brunnenstraße 4, 10119 Berlin